Erben, Schenken, Grundbesitz erwerben: Die Übertragung von Grundstücken und Immobilien ist meist steuerlich relevant. Be­mes­sungs­grund­la­ge für die Finanzbehörden ist der Bedarfswert nach dem Be­wer­tungs­ge­setz (BewG). Warum eine Prüfung des Be­darfs­wert­be­schei­des Sinn macht und worauf Sie achten sollen, das und mehr erfahren Sie hier.

Haus mit Garten
Sie haben ein Haus mit Garten geerbt? Dann muss der Bedarfswert ermittelt werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Bedarfswert ist ein anlassbezogener, steuerlicher Wert und wird nur bei konkretem Bedarf ermittelt.
  • Das Finanzamt ist bei der Be­darfs­wert­ermitt­lung an den Bodenrichtwert gebunden.
  • Sie können dem Finanzamt einen niedrigeren Verkehrswert nachweisen, indem Sie ein Be­darfs­wert­gut­ach­ten vorlegen.
  • Welche Be­wer­tungs­grund­sät­ze anwendbar sind, ergibt sich aus dem Erb­schaft­steu­er­ge­setz und dem Be­wer­tungs­ge­setz (BewG).

André Heid
Zertifizierte Im­mo­bi­li­en­gut­ach­ter nach DIN 17024 von TÜV, DEKRA, IHK, DIA und EIPOS bewerten Ihre Immobilie sachgemäß.

Was ist der Bedarfswert?

Der Bedarfswert ist ein steuerlicher Wert, der als Grundlage für die Festsetzung der zu entrichtenden Steuer dient. Im Gegensatz zum Einheitswert, der turnusmäßig für alle Grundstücke ermittelt wird, wird der Bedarfswert nur dann ermittelt, wenn ein konkreter Bedarf für ein Grundstück vorliegt, beispielsweise bei der Berechnung der Erb­schafts­steu­er, Schen­kungs­steu­er oder Grund­er­werb­steu­er. Diese Methode gewährleistet eine gezielte und be­darfs­ori­en­tier­te Bewertung zu steuerlichen Zwecken.

Bedarfswert ≠ Verkehrswert
Im Vergleich zum Verkehrswert, der den Marktwert eines Grundstücks widerspiegelt, wird der Bedarfswert nur in den Fällen ermittelt, in denen eine steuerliche Veranlassung besteht.

Wann kommt es zur Be­darfs­wert­ermitt­lung von Immobilien und Grundstücken?

Die Be­darfs­wert­ermitt­lung bei Immobilien und Grundstücken ist ein Verfahren, das von Finanzämtern durchgeführt wird, um den steuerlichen Wert einer Immobilie zu ermitteln. Steuern fallen immer dann an, wenn sich Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se ändern, sei es durch Schenkung, Erbschaft oder durch die Änderung der Un­ter­neh­mens­form. Die Finanzämter prüfen anhand der Erbschafts- oder Schen­kungs­steu­er­erklä­rung, ob ein Be­wer­tungs­be­darf besteht, und ermitteln den Wert der Immobilie basierend auf dem Be­wer­tungs­ge­setz (BewG).

Hinweis: Bei einem Im­mo­bi­li­en­ver­kauf hingegen ist die Ermittlung des Bedarfswerts nicht erforderlich, da das Finanzamt bereits über einen notariell bestätigten Kaufvertrag verfügt und daher den darin festgelegten Kaufpreis als Grundlage ansetzen kann.

Folgende Werte unterliegen im Anlassfall einer Be­darfs­be­wer­tung

  • Grund­be­sitz­wer­te (private Grundstücke, Be­triebs­grund­stü­cke)
  • Be­triebs­ver­mö­gen von Ge­wer­be­trei­ben­den und Freiberuflern
  • Anteile an Kapital- und Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten
  • Andere Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de sowie Schulden

Be­darfs­wert­ermitt­lung durch das Finanzamt

Bei der Be­darfs­wert­fest­stel­lung spielen die §§ 138-150 des Be­wer­tungs­ge­set­zes (BewG) sowie die Richtlinien R 124–192 des Erb­schafts­steu­er­ge­setz (ErbStR) eine entscheidende Rolle. Dabei ist das Finanzamt an den Bodenrichtwert gebunden, der vom Gut­ach­ter­aus­schuss veröffentlicht wird. Es ist nicht zulässig, diesen Wert an die Größe des zu bewertenden Grundstücks anzupassen, es sei denn, der Gut­ach­ter­aus­schuss hat spezielle Um­rech­nungs­fak­to­ren vorgegeben.

Hier besteht jedoch oft ein Fehlerpotential: Grundstücke oder Immobilien können beispielsweise zu hoch bewertet werden, was wiederum zu einer überhöhten Erbschaft- oder Schenkungsteuer führt. Aus diesem Grund hat der Steu­er­pflich­ti­ge das Recht, den tatsächlichen Wert des Objekts durch ein Be­darfs­wert­gut­ach­ten überprüfen zu lassen. Dies dient der Sicherstellung, dass die steuerliche Belastung auf einer realistischen Grundlage erfolgt.

Übrigens: Besonders bei alten, her­un­ter­ge­kom­me­nen Gebäuden, bei Gebäuden mit gastronomischer Nutzung sowie bei Altlasten auf dem Grundstück raten wir dazu, den Rat eines öffentlich bestellten und vereidigten Sach­ver­stän­di­gen für die Bewertung von Immobilien in Anspruch zu nehmen.

Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts

Die Vorschrift des § 198 BewG wird oft als „Öffnungsklausel“ bezeichnet. Sie bietet Steu­er­pflich­ti­gen die Option, den vom Finanzamt ermittelten Grundbesitzwert anzufechten, indem er nachweist, dass der tatsächliche Verkehrswert des Objekts niedriger ist.

Allerdings sind die Möglichkeiten für diesen Nachweis eingeschränkt. In der Regel können dafür ein Gutachten des örtlich zuständigen Gut­ach­ter­aus­schus­ses oder eines hinreichend zertifizierten beziehungsweise öffentlich bestellten und vereidigten Sach­ver­stän­di­gen für die Be­darfs­be­wer­tung von Grundstücken herangezogen werden. Alternativ kann auch ein Kaufpreis als Nachweis dienen, sofern dieser im gewöhnlichen Ge­schäfts­ver­kehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Be­wer­tungs­stich­tag erzielt wurde.

Wann wird eine Be­darfs­wert­ermitt­lung durchgeführt?

Das Verfahren wird nur dann eingeleitet, wenn es einen konkreten Bedarf gibt – daher der Name „Be­darfs­wert­ermitt­lung“. Auslöser einer solchen Be­darfs­be­wer­tung ist jede Veräußerung, egal ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Auch jeder Erbfall führt dazu, dass eine Be­darfs­be­wer­tung eingeleitet wird.

Ist dem Finanzamt ein solcher Fall bekannt geworden, kann die Fi­nanz­ver­wal­tung nach § 153 Abs. 1 BewG die Abgabe einer Fest­stel­lungs­er­klä­rung verlangen.

Festlegung der Erb­schafts­steu­er & Schen­kungs­steu­er

Die zuständigen Erb­schafts­steu­er­stel­len der Finanzämter prüfen anhand der eingereichten Erbschafts- oder Schen­kungs­steu­er­erklä­run­gen, ob für den Übergang von Grundbesitz ein Be­wer­tungs­be­darf vorliegt.

Gemäß § 11 ErbStG ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer entscheidend. Im Kontext der Erb­schafts­steu­er auf Immobilien wird der Bedarfswert des Grundstücks zum Todeszeitpunkt des Erblassers erfasst. Für die Festlegung der Schen­kungs­steu­er hingegen ist der Wert zum Zeitpunkt der Schen­kungs­aus­füh­rung maßgeblich.

Festlegung der Grund­er­werb­steu­er

Die Be­darfs­be­wer­tung ist nicht ausschließlich für die Bestimmung von Erbschafts- und Schenkungsteuer relevant, sondern findet seit dem 01.01.1997 auch explizit für die Zwecke der Grund­er­werb­steu­er Anwendung.

Achtung! Steuerarten wie die Grundsteuer und die Gewerbesteuer bemessen sich nach dem Einheitswert und nicht nach dem Bedarfswert.

Finanzamt
Das Finanzamt ermittelt Bedarfswerte.

Bedarfswert einer Immobilie berechnen

Um den Bedarfswert eines Grundstücks oder einer Immobilie festzustellen, gibt es spezielle Verfahren zur Ermittlung und Berechnung. Im Kontext der Grund­be­sitz­be­wer­tung, ähnlich wie bei der Ein­heits­be­wer­tung, wird das Grundvermögen in zwei Kategorien unterteilt: „bebaute Grundstücke“ und „unbebaute Grundstücke“. Ein entscheidender Unterschied zur Ein­heits­be­wer­tung besteht jedoch darin, dass die Abgrenzung der Grund­stücks­ar­ten nach der Wohn- und Nutzfläche erfolgt und nicht nach der Jahresrohmiete.

Bebautes Grundstück

Der Wert eines bebauten Grundstücks hängt entscheidend von seiner Art ab. Gemäß § 181 Abs. 1 BewG werden verschiedene Grund­stücks­ar­ten unterschieden, detaillierte Voraussetzungen zu den Grund­stücks­ar­ten sind in R B 181.1 Abs. 1 ErbStR aufgeführt. Bei der Festlegung der Grundstücksart ist es wichtig, die gesamte wirtschaftliche Einheit zu betrachten und nicht lediglich Einzelgebäude.

Die Bestimmung des Grund­stücks­wer­tes erfolgt durch eines von drei Verfahren (§ 182 BewG): dem Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren, dem Er­trags­wert­ver­fah­ren oder dem Sach­wert­ver­fah­ren.

Grundstücksart Voraussetzungen Verfahren + Rechtsgrundlage
1 Ein- und Zwei­fa­mi­li­en­häu­ser Wohngrundstücke mit bis zu zwei Wohnungen

Mitbenutzung für betriebliche oder öffentliche Zwecke zu weniger als 50 % (berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche) ist unschädlich, soweit dadurch nicht die Eigenart als Ein- oder Zwei­fa­mi­li­en­haus wesentlich beeinträchtigt wird

Kein Woh­nungs­ei­gen­tum nach Grundstücksart 3
Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren (§ 182 Abs. 2 BewG)

Sach­wert­ver­fah­ren
(§ 181 Abs. 4 BewG)
— wenn kein Vergleichswert vorliegt
2 Miet­wohn­grund­stü­cke Grundstücke, die zu mehr als 80 % (berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche) Wohnzwecken dienen und nicht Ein- und Zwei­fa­mi­li­en­häu­ser im Sinne der Nummer 1 oder Woh­nungs­ei­gen­tum nach Nummer 3 sind Er­trags­wert­ver­fah­ren
(§ 182 Abs. 3 BewG)
3 Wohnungs- oder Teileigentum Woh­nungs­ei­gen­tum ist das Sondereigentum an der Wohnung in Verbindung mit dem Mit­ei­gen­tums­an­teil an dem ge­mein­schaft­li­chen Eigentum, zu dem es gehört

Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem ge­mein­schaft­li­chen Eigentum, zu dem es gehört
Ver­gleichs­wert­ver­fah­ren (§ 182 Abs. 2 BewG)

Sach­wert­ver­fah­ren
(§ 181 Abs. 4 BewG)
— wenn kein Vergleichswert vorliegt
4 Ge­schäfts­grund­stü­cke Grundstücke, die zu mehr als 80 % (berechnet nach der Wohn- oder Nutzfläche) eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Teileigentum nach Nummer 3 sind Er­trags­wert­ver­fah­ren
(§ 182 Abs. 3 BewG)

Sach­wert­ver­fah­ren
(§ 181 Abs. 4 BewG)
— wenn sich auf dem örtlichen Markt keine übliche Miete ermitteln lässt
5 Gemischt genutzte Grundstücke Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und keine Grundstücke im Sinne der Nummer 1-4 sind Er­trags­wert­ver­fah­ren
(§ 182 Abs. 3 BewG)
— wenn sich auf dem örtlichen Grund­stücks­markt eine übliche Miete ermitteln lässt

Sach­wert­ver­fah­ren
(§ 181 Abs. 4 BewG)
— wenn sich auf dem örtlichen Markt keine übliche Miete ermitteln lässt
6 Sonstige bebaute Grundstücke Grundstücke, die nicht unter eine der obigen Kategorien fallen Sach­wert­ver­fah­ren
(§ 181 Abs. 4 BewG)
Tabelle gemäß § 182 BewG „Bewertung der bebauten Grundstücke“ & R B 181.1 Abs. 1 ErbStR

Es ist jedoch zu beachten, dass die von den Finanzämtern ermittelten theoretischen Werte oftmals erheblich von den tatsächlichen Marktwerten abweichen. Ein praktisches Beispiel illustriert dies: Herr Krause hinterlässt seiner Tochter Maria ein Einfamilienhaus samt Garten und Poolhaus. Das Finanzamt setzt einen Bedarfswert von 600.000 Euro an. In Wirklichkeit beträgt der Marktwert der Immobilie jedoch nur 400.000 Euro, was sich in einer entsprechend geringeren Steuerbelastung niederschlagen würde.

Hinweis: Die Be­darfs­wert­ermitt­lung für eine Ei­gen­tums­woh­nung funktioniert im Wesentlichen genauso wie bei einem Einfamilienhaus. Der Bedarfswert für eine Immobilie unterliegt denselben Be­rech­nungs­grund­la­gen. Bei der weitaus akkurateren Ver­kehrs­wert­ermitt­lung hingegen werden viel mehr Parameter berücksichtigt, wodurch sich ein deutlich genauerer Marktwert ergibt.

Unbebautes Grundstück

Bei unbebauten Grundstücken ist der Wert nach ihrer Fläche und dem Bodenrichtwert der Gut­ach­ter­aus­schüs­se zu bestimmen (§ 179 BewG). Bei unbebauten Grundstücken beträgt der Bedarfswert 80 Prozent der Bodenrichtwerte (laut Gut­ach­ter­aus­schüs­sen). Wenn es keinen Bodenrichtwert gibt, ist der Wert anhand der Wertermittlung vergleichbarer Grundflächen anzusetzen und um 20 Prozent zu reduzieren.

Als unbebaute Grundstücke gelten (§ 178 BewG):

  • Grundstücke ohne benutzbares Gebäude
  • Grundstücke mit einem Gebäude, das sich im Bau befindet
  • Grundstücke, deren Gebäude klein ist oder das nur einer unbedeutenden Nutzung zugeführt werden kann
  • Grundstücke mit zerstörtem oder dem Verfall preisgegebenen Gebäude.

Gut zu wissen: Weist der Steu­er­pflich­ti­ge nach, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger als der berechnete Bedarfswert ist, ist der gemeine Wert anzusetzen.

Beispiel: Frau Maier hat ein 3.000 Quadratmeter großes unbebautes Grundstück geerbt. Der Bodenrichtwert für diese Liegenschaft beträgt 25 Euro pro Quadratmeter. Das Finanzamt errechnet einen Bedarfswert von (25 x 3.000 x 80 %) 60.000 Euro und setzt danach die Erbschaftsteuer fest. Frau Maier legt gegen den Erb­schaft­steu­er­be­scheid Einspruch ein, da sie das Grundstück drei Monate nach dem Erbfall nur für 40.000 Euro an einen fremden Dritten veräußern (Verkaufspreis als Nachweis) konnte. Der gemeine Wert des Grundstücks beträgt 40.000 Euro und ist der Erbschaftsteuer zugrunde zu legen.

Land- und forst­wirt­schaft­li­ches Vermögen

Wer Land bewirtschaftet, unterliegt zur Feststellung der Erbschafts- und Schenkungsteuer sowie der Grund­er­werb­steu­er der Be­darfs­be­wer­tung. Dabei sind die land- und forst­wirt­schaft­li­chen Grund­be­sitz­wer­te nach den §§ 138 bis 154 BewG relevant. Land- und forst­wirt­schaft­li­ches Vermögen ist in einen Wirtschaftsteil, eine Betriebswohnung und einen Wohnteil zu unterteilen. Der Wirtschaftsteil wird mit in § 142 BewG pau­scha­li­sier­ten Ertragswerten bewertet. Für die Betriebswohnung und den Wohnanteil sind die Be­wer­tungs­grund­sät­ze für bebaute Grundstücke relevant.

Bedarfswert überprüfen: Jetzt Be­darfs­wert­gut­ach­ten anfordern

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Wenn Sie Fragen zum Be­darfs­wert­gut­ach­ten haben oder sich unsicher sind, ob Sie ein solches Gutachten in Erwägung ziehen sollten, sind wir für Sie da. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!