Wenn Sie eine vermietete Immobilie erben oder schenken, setzt das Finanzamt den Immobilienwert in der Regel nach dem Ertragswertverfahren fest. Dabei wird nicht der Marktpreis angesetzt, sondern ein schematisch berechneter Steuerwert, häufig mit erheblichen Abweichungen nach oben. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie das Ertragswertverfahren beim Finanzamt funktioniert, wann es zur Anwendung kommt, und wie Sie mit einem professionellen Gutachten Steuern sparen können.
- Das Ertragswertverfahren kommt immer dann zum Einsatz, wenn eine Immobilie regelmäßig Einnahmen erwirtschaftet, zum Beispiel durch Vermietung oder Verpachtung.
- Das sogenannte „vereinfachte Ertragswertverfahren“ basiert auf pauschalen Annahmen, die mit der realen Marktsituation oft wenig zu tun haben.
- Die Kritik: Individualität wird im vereinfachten Ertragswertverfahren nicht berücksichtigt. Das führt häufig zu hohen Immobilienwerten und damit zu einer höheren Steuerlast.
- Ein individuelles Verkehrswertgutachten durch einen Sachverständigen kann die Steuerlast senken. Bei Erbschaft, Schenkung oder Betriebsübergabe lohnt sich ein Gegengutachten fast immer.
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist ein gesetzlich anerkanntes Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien, die Erträge erwirtschaften, in der Regel durch Vermietung oder Verpachtung. Der Immobilienwert ergibt sich dabei nicht aus dem Substanzwert, sondern aus dem zukünftigen Reinertrag, den das Objekt voraussichtlich erwirtschaften kann. Das Ertragswertverfahren ist laut der Immobilienwertermittlungsverordnung (§ 7 ImmoWertV) eines von insgesamt drei zulässigen Verfahren, um den Verkehrswert einer Immobilie zu bestimmen. Das heißt: Erstellt ein zertifizierter Sachverständiger ein Verkehrswertgutachten auf Basis des Ertragswertverfahrens, erkennt das Finanzamt dies an.
Das folgende Video führt Ihnen grafisch vor Augen, wie das Ertragswertverfahren funktioniert:
Wann nutzt das Finanzamt das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren kommt immer dann zur Anwendung, wenn das Finanzamt eine vermietete Immobilie bewerten muss, etwa im Rahmen von Erbschafts- oder Schenkungssteuer, Betriebsvermögen oder bei Schenkungen unter Nießbrauchvorbehalt.
Die Grundlage bildet das Bewertungsgesetz (BewG), insbesondere die Paragrafen § 182 bis § 188. Ergänzend greift die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).
Typische Bewertungsanlässe beim Finanzamt sind:
- Erbschaftssteuer: Die Immobilie geht auf einen Erben über.
- Schenkungssteuer: Übertragung zu Lebzeiten an Kinder oder Ehepartner.
- Betriebsvermögen: Bei Einlagen oder Entnahmen von Immobilien.
- Nießbrauch: Bewertung des belasteten Eigentums.
Das Verfahren richtet sich gezielt an Objekte, die regelmäßige Mieteinnahmen generieren. Es unterstellt, dass der Wert der Immobilie durch ihre zukünftigen Erträge bestimmt wird. Typischerweise betrifft das:
- Mehrfamilienhäuser
- vermietete Eigentumswohnungen
- Wohn- und Geschäftshäuser
- Gewerbeimmobilien, wie Büros, Lager oder Einzelhandelsflächen
- gemischt genutzte Immobilien, bei denen ein klarer Ertragsanteil besteht
Für selbst genutzte Immobilien ist das Ertragswertverfahren hingegen nicht vorgesehen. Dort greift meist das Sachwertverfahren.
Wie das Finanzamt den Ertragswert ermittelt
Wenn das Finanzamt eine vermietete Immobilie bewertet, greift es in der Regel auf das vereinfachte Ertragswertverfahren zurück. Dabei geht es nicht darum, den tatsächlichen Marktwert einer Immobilie zu bestimmen, sondern einen steuerlich verwertbaren Wert zu ermitteln.
Das vereinfachte Ertragswertverfahren läuft in mehreren Rechenschritten ab:
- Rohertrag: Das Finanzamt setzt pauschale Mieten an, je nach Mietniveaustufe der Gemeinde. Die tatsächliche Miethöhe spielt dabei keine Rolle.
- Bewirtschaftungskosten: Anders als früher wird seit 2023 nicht mehr pauschal ein Prozentsatz vom Rohertrag abgezogen. Stattdessen werden die Bewirtschaftungskosten in drei Einzelpositionen aufgeschlüsselt:
- Instandhaltungskosten
- Verwaltungskosten
- Mietausfallwagnis
Wenn für Ihre Immobilie keine lokalen Werte vorliegen, greift das Finanzamt auf typisierte Annahmen aus der Gesetzgebung zurück.
- Kapitalisierung: Der Reinertrag wird mit einem ebenfalls pauschalen Liegenschaftszinssatz kapitalisiert. Je nach Objektart liegt dieser zwischen 4 % und 6 %.
- Bodenwert: Der Bodenwert wird anhand offizieller Daten der Gutachterausschüsse berechnet und dem Gebäudewert hinzugerechnet.
Das Ergebnis dieser Berechnung ist der steuerliche Ertragswert, der vom Finanzamt als Bemessungsgrundlage angesetzt wird.
Lesetipp: Erfahren Sie in unserem Ratgeber mehr über die steuerliche Wertermittlung durch das Finanzamt. Ein ausführliches Rechenbeispiel finden Sie in unserem Ratgeber zum Ertragswertverfahren.
Kritik am Ertragswertverfahren durch das Finanzamt
Trotz gesetzlicher Grundlagen steht das Ertragswertverfahren des Finanzamts wegen seiner starken Pauschalisierung immer wieder in der Kritik. Sollten die Finanzämter nicht über aktuelle Marktdaten verfügen, sind sie gezwungen, auf gesetzlich festgelegte Wertansätze zurückzugreifen. Dies kann zu einer verzerrten Wahrnehmung des eigentlichen Werts Ihrer Immobilie führen. Typisierte Mieten, festgelegte Kostenansätze und standardisierte Restnutzungsdauern lassen individuelle Merkmale einer Immobilie völlig außer Acht.
Ein zu hoher Ertragswert führt beispielsweise zu einer überhöhten Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Viele Betroffene nehmen diese Bescheide hin, oft ohne zu wissen, dass sie das Verfahren anfechten können. Dabei lassen sich Steuerwerte in vielen Fällen deutlich senken, wenn ein sachverständiges Gegengutachten eingereicht wird. Das gilt insbesondere dann, wenn Ihre Immobilie unterdurchschnittlich vermietet, renovierungsbedürftig oder teils leerstehend ist.
Steuerlast senken durch fundierte Gutachten
Wenn das Finanzamt Ihre Immobilie nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet, ergibt sich oft ein zu hoher Steuerwert. In vielen Fällen lässt sich dieser Wert mit einem qualifizierten Verkehrswertgutachten erfolgreich anfechten, das den tatsächlichen Immobilienwert nachvollziehbar darlegt.
Besonders empfehlenswert ist ein Gegengutachten, wenn:
- die tatsächlichen Mieteinnahmen deutlich unter den typisierten Werten des Finanzamts liegen.
- Ihre Immobilie leer steht, sanierungsbedürftig oder nicht marktgerecht vermietet ist.
- die Restnutzungsdauer realistisch betrachtet deutlich unter 50 Jahren liegt.
- Sie eine Schenkung oder Erbschaft mit hoher Steuerlast erwarten und gegensteuern möchten.
Je größer die Abweichung vom pauschalen Ansatz des Finanzamts, desto mehr Steuern können Sie sparen.
Viele Eigentümer zahlen zu viel Steuer, weil sie die Bewertung durch das Finanzamt nicht hinterfragen. Dabei lassen sich die Ansätze mit einem qualifizierten Gutachten oft deutlich nach unten korrigieren.
Ing. André Heid M. Sc.
Alternative Verfahren: Warum nicht immer der Ertragswert zählt
Das Finanzamt wendet das Ertragswertverfahren hauptsächlich bei vermieteten Immobilien an. Doch nicht jede Immobilie ist automatisch ein Ertragsobjekt und nicht in jedem Fall ist das Verfahren sachgerecht. Es gibt Alternativen, die unter bestimmten Bedingungen zur Anwendung kommen und zu deutlich abweichenden Steuerwerten führen können.
- Sachwertverfahren: Wird genutzt, wenn die Immobilie nicht oder nur teilweise vermietet ist, etwa bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern, denkmalgeschützten Objekten oder Sonderimmobilien. Hier fließen Herstellungskosten, Alterswertminderung und Bodenwert ein.
- Vergleichswertverfahren: Kommt zum Einsatz, wenn vergleichbare Immobilien mit bekannten Verkaufspreisen vorliegen, typischerweise bei Eigentumswohnungen, Reihenhäusern oder Garagen.
Als Eigentümer oder Erbe können Sie aktiv Einfluss auf das gewählte Bewertungsverfahren nehmen, indem Sie ein qualifiziertes Gutachten beauftragen. Unsere Sachverständigen prüfen objektbezogen, welches Verfahren den tatsächlichen Wert realistischer abbildet und gleichzeitig steuerlich günstiger ist. Ihr Vorteil: Unsere Verkehrswertgutachten werden in 99,9 % der Fälle von Finanzämtern anerkannt.
Ihre wichtigsten Fragen zum Ertragswertverfahren beim Finanzamt
In diesem Abschnitt beantworten wir oft gestellte Fragen unserer Kunden zum Ertragswertverfahren durch das Finanzamt.
Kann ich den Steuerwert anfechten?
Ja, Sie haben das Recht, gegen einen Steuerbescheid Einspruch einzulegen. Voraussetzung zur Senkung des vom Finanzamt veranschlagten Immobilienwerts ist ein begründetes Gegengutachten, das den tatsächlichen Verkehrswert dokumentiert. Wir unterstützen Sie bei der Erstellung und begleiten Sie bei Bedarf auch im Einspruchsverfahren gegenüber dem Finanzamt.
Welche Unterlagen fordert das Finanzamt?
Das Finanzamt verlangt in der Regel Angaben zu Baujahr, Wohnfläche, Nutzung und Mieteinnahmen. Zusätzlich werden häufig Mietverträge, ein [[aktueller Grundbuchauszug}}, Lagepläne und Unterlagen zur Sanierung angefordert. Wenn Sie ein Gutachten einreichen möchten, helfen wir Ihnen dabei, die relevanten Unterlagen vollständig und korrekt zusammenzustellen.
Gilt das Verfahren auch bei unvermieteten Immobilien?
Nein, das Ertragswertverfahren wird nur bei vermieteten Immobilien oder solchen zur Einnahmenerzielung angewendet. Typischerweise betrifft es Mehrfamilienhäuser, Mietwohnungen und Gewerbeeinheiten. Bei selbst genutzten Objekten, leerstehenden Gebäuden oder Sonderimmobilien kommt meist das Sachwertverfahren zum Einsatz.
Wie unterscheidet sich das vereinfachte vom regulären Ertragswertverfahren?
Das vereinfachte Ertragswertverfahren des Finanzamts arbeitet mit pauschalen Werten für Miete, Kosten und Nutzungsdauer. Es dient der schnellen steuerlichen Einordnung, ist aber oft ungenau. Das reguläre Verfahren – wie wir es anwenden – berücksichtigt individuelle Merkmale Ihrer Immobilie und basiert auf realen Zahlen. Es bildet den Marktwert deutlich präziser ab und wird in fundierten Gutachten eingesetzt.
Was bringt ein eigenes Gutachten in der Praxis wirklich?
Ein Verkehrswertgutachten, das von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt wird, kann Ihre Steuerlast spürbar senken. In vielen Fällen weicht der Steuerwert des Finanzamts deutlich vom tatsächlichen Marktwert ab. Mit einem professionellen Gutachten dokumentieren Sie den realistischen, niedrigeren gemeinen Wert und haben eine anerkannte Grundlage für den Einspruch. Unsere Erfahrung zeigt: Die Finanzämter akzeptieren unsere Bewertungen in nahezu allen Fällen. Und falls nicht, stehen wir Ihnen im Rahmen unserer kostenlosen Nachbetreuung zur Klärung mit dem Finanzbeamten zur Verfügung.