Das Erbbaurecht ist eine interessante Alternative zum klassischen Grundstückskauf – sowohl für Käufer als auch für Eigentümer und Investoren. Gerade in Zeiten hoher Immobilienpreise eröffnet das Erbbaurecht neue Möglichkeiten: Es erlaubt, eine Immobilie zu nutzen oder zu errichten, ohne das Grundstück selbst kaufen zu müssen. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent aller Immobilien in Deutschland vom Erbbaurecht betroffen sind. Doch welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus? In diesem Ratgeber erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des Erbbaurechts.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Erbbaurecht ist das zeitlich beschränkte, dingliche Recht, Gebäude auf einem Grundstück zu bauen und zu betreiben.
- Der größte Vorteil für Erbbaurechtsnehmer liegt in einem deutlich niedrigeren Kaufpreis, da sie das Grundstück nicht mitbezahlen.
- Der Erbbaurechtsgeber profitiert davon, ein ungenutztes Grundstück behalten und monetarisieren zu können.
- Erbbaurechtsgeber sind traditionell Gemeinden, Körperschaften des öffentlichen Rechts, Kirchen, Stiftungen, Versicherungen, Brauereien und der Staat.
- Mit dem Untererbbaurecht, dem Gesamterbbaurecht, dem Nachbarerbbaurecht und dem Stavenrecht existieren vier Sonderfälle des Erbbaurechts.
Definition: Was bedeutet Erbbaurecht?
Das Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten oder zu nutzen. Im Gegensatz zum herkömmlichen Eigentumserwerb verbleibt das Erbbaugrundstück im Eigentum des ursprünglichen Eigentümers, des sogenannten Erbbaurechtsgebers, während der Erbbaurechtsnehmer das Gebäude auf dem Grundstück errichten und nutzen darf. Für die Nutzung zahlt der Erbbaurechtsnehmer einen regelmäßigen Erbbauzins an den Grundstückseigentümer.
Wie und wo sind Erbbaurechte gesetzlich geregelt?
Den rechtlichen Rahmen für das Erbbaurecht bildet das Gesetz über das Erbbaurecht. Es wird auch gern zum Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) verkürzt. Es existiert seit Januar 1919 und wurde eingeführt, um den Wohnungsbau zu fördern und Bodenspekulationen einzudämmen. Das Baugelände soll zu günstigen Konditionen zur Verfügung gestellt werden.
Konkret werden im Erbbaurechtsgesetz folgende Vereinbarungen des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten geregelt:
- Errichtung, Instandhaltung und Verwendung des Gebäudes,
- Versicherung des Bauwerks und Wiederaufbau bei Zerstörung,
- Tragung von Lasten und Abgaben,
- vorzeitige Rückgabe (Heimfall) des Erbbaurechts bei bestimmten Voraussetzungen,
- Vertragsstrafen,
- Vorrecht des Erbbauberechtigten auf Verlängerung und Kauf.
Hinzu kommt die im Wohnungseigentümergesetz (§ 30 WEG) geregelte Bruchteilberechtigung an einem Erbbaurecht, welches selbst das ganze Mehrfamilienhaus umfasst. Dieses Wohnungserbbaurecht betrifft das Sondereigentum an einer abgeschlossenen Wohnung.
Im gleichen Paragraphen wird das Teilerbbaurecht, das für nicht zu Wohnzwecken dienende Räumlichkeiten gilt, mitbehandelt. Das Teil- und Wohnungserbbaurecht ist nicht direkt mit dem Grundstück verbunden, sondern stellt einen Mitberechtigungsanteil am Erbbaurecht dar (Untererbbaurecht). Ergänzende Paragraphen, die das Erbbaurecht berühren können, enthält das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).
Erbbaurecht und Erbpacht: Was ist der Unterschied?
Das Erbbaurecht wird umgangssprachlich oft als Erbpacht bezeichnet. Juristisch korrekt ist diese Bezeichnung jedoch nicht mehr. Während „Erbpacht“ historisch die Leihe eines Grundstücks mit erheblichen Abhängigkeiten des Nutzers vom Eigentümer kennzeichnete, ist die Bedeutung des Erbbaurechts eine andere: Es bezeichnet die weitgehende rechtliche Selbstständigkeit des Erbbaurechtsnehmers. Dieser kann das Erbbaurecht selbständig veräußern, vererben oder beleihen, ohne dass dem Grundstückseigentümer weitreichende Eingriffsrechte zustehen – ein deutlicher Unterschied zur historischen Erbpacht.
Wie funktioniert das Erbbaurecht?
Das Erbbaurecht erlaubt es, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten oder zu nutzen – ohne Eigentümer des Bodens zu werden. Dafür wird ein langfristiger Vertrag abgeschlossen, der dem Erbbaurechtsnehmer weitreichende Nutzungsrechte einräumt.
Die wichtigsten Grundlagen im Überblick:
- Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags: Üblicherweise wird das Erbbaurecht für 60 bis 99 Jahre vereinbart. In dieser Zeit kann der Erbbaurechtsnehmer das Grundstück fast wie ein Eigentümer nutzen. Eine Verlängerung des Erbbaurechts ist grundsätzlich möglich.
- Erbbauzins: Anstelle eines Kaufpreises für das Grundstück zahlt der Nutzer einen regelmäßigen Erbbauzins. Dieser wird jährlich oder vierteljährlich fällig und orientiert sich am Bodenwert.
- Rechte des Erbbaurechtsnehmers: Recht, ein Gebäude zu errichten und zu nutzen, Recht zur Veräußerung oder Vererbung des Erbbaurechts und die Möglichkeit, das Erbbaurecht mit Grundpfandrechten (z.B. Hypothek) zu belasten.
- Heimfallregelung: Nach Ablauf der Vertragslaufzeit oder bei bestimmten Vertragsverletzungen kann das Grundstück samt Gebäude an den Eigentümer zurückfallen. In der Regel erfolgt dann eine Entschädigung für den Gebäudewert.
Vor- und Nachteile des Erbbaurechts
Wer sich mit dem Thema Erbbaurecht beschäftigt, sollte nicht nur die rechtlichen Grundlagen kennen, sondern auch Chancen und Risiken abwägen. In diesem Abschnitt beleuchten wir die wichtigsten Vor- und Nachteile des Erbbaurechts – sowohl aus Sicht des Käufers beziehungsweise Nutzers als auch aus Sicht des Grundstückseigentümers.
Vorteile für Käufer
Ein großer Vorteil des Erbbaurechts liegt in der finanziellen Entlastung: Käufer müssen nicht das gesamte Grundstück erwerben, sondern lediglich das darauf befindliche Gebäude finanzieren. Das senkt die Einstiegshürde erheblich.
Die wichtigsten Vorteile im Überblick:
- Geringere Anschaffungskosten: Grundstückskosten entfallen – das reduziert den Gesamtpreis beim Immobilienkauf deutlich.
- Mehr Liquidität für den Bau oder andere Investitionen: Da keine große Summe für den Grundstückskauf notwendig ist, bleibt mehr finanzieller Spielraum für die Qualität der Baumaterialien und die Ausstattung.
- Flexiblere Finanzierung: Banken akzeptieren das Erbbaurecht meist als Sicherheit. Das erleichtert den Zugang zu Krediten.
- Rechtliche Absicherung: Trotz fehlenden Grundstückseigentums besteht ein gesichertes Nutzungsrecht über Jahrzehnte.
Beispiel: Ein junges Ehepaar möchte ein Einfamilienhaus bauen. Der Grundstückspreis liegt bei 250.000 €. Das jedoch würde ihr Budget übersteigen. Stattdessen entscheiden sie sich für ein Erbbaurechtsgrundstück mit einem Erbbauzins von 4 %. Die monatliche Belastung liegt damit bei rund 830 €. Dadurch kann das Paar das Haus wie geplant realisieren – ohne hohe Anfangsinvestition für das Grundstück.
Nachteile für Käufer
Trotz vieler Vorteile birgt das Erbbaurecht auch Risiken. Diese sollten vor Vertragsabschluss sorgfältig geprüft werden.
Nachteile im Überblick:
- Regelmäßiger Erbbauzins: Die Zahlungspflicht besteht über Jahrzehnte – unabhängig von der finanziellen Lage des Nutzers.
- Keine vollständige Eigentümerschaft: Das Grundstück bleibt im Eigentum des Verpächters. Das führt bei Verkauf oder Beleihung der Immobilie zu Einschränkungen.
- Unklare Perspektive nach Vertragsende: Nach Ablauf des Vertrags (z. B. nach 99 Jahren) ist ungewiss, ob eine Verlängerung erfolgt – oder das Gebäude zurückgegeben werden muss (Stichwort: Heimfall).
- Eingeschränkter Wiederverkaufswert: Immobilien auf Erbbaugrundstücken lassen sich mit kürzer werdender Restlaufzeit oft schwerer verkaufen.
Vorteile für Grundstückseigentümer
Für Eigentümer, die ihr Grundstück nicht verkaufen möchten, mittelfristig aber keine Verwendung dafür haben, bietet das Erbbaurecht eine attraktive Möglichkeit zur langfristigen Nutzung mit stabilen Einnahmen.
Die Vorteile für Erbbaurechtsgeber:
- Langfristige Einnahmen durch Erbbauzins: Regelmäßige Zahlungen über Jahrzehnte sichern stabile Erträge – ähnlich wie bei einer Vermietung.
- Grundstück bleibt im Eigentum: Besonders für Familien, Stiftungen oder Kirchen ist das attraktiv: Das Eigentum bleibt erhalten und kann gezielt weitergegeben werden.
- Wertzuwachs ohne Verkauf: Steigt der Bodenwert, kann der Erbbauzins ggf. angepasst werden, ohne dass das Grundstück verkauft wird.
Nachteile für Grundstückseigentümer
Auch für Eigentümer ist das Erbbaurecht nicht risikofrei – vor allem wegen der langfristigen Bindung.
Mögliche Nachteile:
- Langfristige Bindung an Vertragspartner: Ein einmal geschlossener Erbbaurechtsvertrag läuft meist über viele Jahrzehnte. Änderungen sind oft nur eingeschränkt möglich.
- Eingeschränkte Verfügbarkeit des Grundstücks: Das Grundstück kann während der Vertragslaufzeit nicht verkauft oder anders genutzt werden, auch nicht bei geänderter Bedarfslage.
Das Erbbaurecht bietet für beide Seiten – Nutzer und Eigentümer – erhebliche Vorteile, insbesondere in finanzieller und struktureller Hinsicht. Langfristige Bindungen, Erbbauzinszahlungen und Unsicherheiten bei Vertragsende sind jedoch nicht zu unterschätzen. Wer überlegt, ein Grundstück im Erbbaurecht zu nutzen oder zu vergeben, sollte daher stets sachkundig abwägen – idealerweise mit professioneller Beratung.
Das Erbbaurecht ermöglicht Wohneigentum ohne Grundstückskauf. Unterschätzen Sie trotzdem die langfristigen Kosten nicht.
Ing. André Heid M.Sc.
Sonderfälle im Erbbaurecht
Das Erbbaurecht kann in verschiedenen Formen auftreten, die jeweils spezifische Anforderungen und Konstellationen mit sich bringen. Diese vier Sonderfälle sind:
- Untererbbaurecht
Beim Untererbbaurecht wird nicht ein zeitlich befristetes Recht an einem Grundstück eingeräumt, sondern an einem bereits bestehenden Erbbaurecht (Obererbbaurecht). Dies ist sinnvoll, wenn ein Bauträger ein Erbbaurecht erwirbt und das Grundstück in mehrere Wohneinheiten aufteilt. Schwierig zu handhaben sind Untererbbaurechte bei einer Beleihung, da eine bestellte Grundschuld an einem Untererbbaurecht nicht rechtsbeständig ist. - Gesamterbbaurecht
Das Gesamterbbaurecht ist ein einheitliches Erbbaurecht, das auf mehrere, eigenständige Grundstücke verteilt ist. Es ermöglicht die Nutzung mehrerer Grundstücke unter einem Erbbaurechtsvertrag. Nach der Grundbuchordnung (§ 6a GBO) müssen jedoch alle Grundstücke aneinandergrenzen und innerhalb desselben Grundbuchamts/Vermessungsamts liegen. - Nachbarerbbaurecht
Beim Nachbarerbbaurecht wird ein Gebäude auf mehreren Grundstücken errichtet. Der Unterschied zum Gesamterbbaurecht besteht darin, dass das Erbbaurecht für jedes betroffene Grundstück einzeln erworben werden muss. - Stavenrecht
Das Stavenrecht oder auch Deichstavenrecht ist eine besondere Form des Erbbaurechts in Nordfriesland. Im engeren Sinne handelt es sich um ein überliefertes Gewohnheitsrecht, das dem Inhaber erlaubt, auf Deichgrundstücken zu bauen und die errichteten Gebäude zu unterhalten. Im Unterschied zum Erbbaurecht ist das Stavenrecht nicht zeitlich befristet und kann übertragen, vererbt oder belastet werden. Bestehende Stavenrechte existieren weiter, können seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Jahr 1900 allerdings nicht mehr neu begründet werden.
Erbbaurecht in der Praxis: Lohnt es sich?
Ob sich das Erbbaurecht lohnt, hängt stark von den persönlichen Zielen, der finanziellen Situation und der Verfügbarkeit von Grundstücken ab. Für Personen mit begrenztem Budget kann es eine attraktive Möglichkeit sein, Wohneigentum zu schaffen. Auch für Investoren, die Kapital gezielt in Gebäude statt in Bodenwerte stecken wollen, kann das Modell interessant sein. Stiftungen, Kommunen, Kirchen, Brauereien oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Eigentum bewahren, aber Flächen nutzbar machen möchten, vergeben traditionell das Erbbaurecht.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Erbbaurecht
In diesem Abschnitt beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Thema Erbbaurecht.
Kann ein Haus auf einem Erbbaurechtsgrundstück verkauft oder vererbt werden?
Ja, das Erbbaurecht ist veräußerlich und vererblich. Ein Verkauf oder eine Beleihung ist in der Regel möglich, oft aber an Zustimmungsvorbehalte des Grundstückseigentümers gebunden. Vor dem Verkauf ist eine Wertermittlung des Erbbaurechtsgrundstücks sowie der dort erbauten Immobilie empfehlenswert.
Wird ein Erbbaurecht im Grundbuch eingetragen?
Der Erwerber des Erbbaurechts wird nicht Eigentümer des Grundstücks. Er muss es weder finanzieren noch kaufen. Er zahlt den Erbbauzins dafür, dass er auf dem Erbbaugrundstück ein oder mehrere Gebäude errichten darf, deren Eigentümer er ist. Das Erbbaurecht wird im Grundbuch eingetragen. Lesen Sie in unserem Ratgeber, wie Sie einen Grundbuchauszug beantragen!
Als Eigentümer des Grundstücks stehen dem Erbbauberechtigten alle Rechte zu, die das Grundbuch vorsieht. Sie werden in Abteilung II des Erbbaugrundbuches eingetragen. Der Erbbauberechtigte kann also das Gebäude beleihen, verkaufen, verschenken oder vererben. Er muss aber auch alle Verpflichtungen erfüllen.
Der Erbbaurechtsgeber sichert sich in der Regel gut ab. Das Erbbaurecht wird üblicherweise als Reallast zugunsten des Grundstückseigentümers an erster Rangstelle im Erbbaugrundbuch eingetragen. Der Erbbaurechtsvertrag enthält oft eine Klausel, die diesen Anspruch des Erbbaurechtsgebers auch bei einer Zwangsversteigerung als Hauptanspruch sichert.
Ist es sinnvoll, ein Haus zu kaufen, bei dem nur noch 30 Jahre Erbpacht-Laufzeit bestehen?
Nein. Je kürzer die Restlaufzeit, desto unattraktiver ist ein Erbbaurecht. Denn wer weiß, was am Ende der Laufzeit passiert? Besteht der Erbbaurechtsgeber auf Rückgabe? Gibt es ein Vorkaufsrecht oder gar eine Kaufpflicht? Interessenten, die auf eine Finanzierung angewiesen sind, werden es bei kurzen Restlaufzeiten schwer haben. Denn Banken lehnen Erbbaurechtsverträge mit einer Restlaufzeit von weniger als 40 Jahren schon deshalb ab, weil die Tilgung der Hypothek mindestens zehn Jahre vor Ablauf des Erbbaurechts vollständig abgeschlossen sein muss.
Dürfen Erbbauberechtigte Ihre Immobilie vermieten?
Ja, Erbbauberechtigte können ihre Immobilie in der Regel vermieten. Für die Vermietung eines Erbbaurechtsgrundstücks wird ein normaler Mietvertrag zwischen dem Erbbauberechtigten und dem Mieter abgeschlossen. Die Mieteinnahmen stehen ebenfalls dem Erbbauberechtigten zu.
Achtung: Bevor Sie Ihr Erbbaurecht vermieten, sollten Sie prüfen, ob Ihr Erbbaurechtsvertrag eine Fremdvermietungsklausel enthält. Enthält Ihr Vertrag eine solche Klausel, kann es sein, dass Sie für die Vermietung Ihres Grundstücks zunächst die Zustimmung des Erbbaurechtsgebers benötigen.