Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren spielt eine zentrale Rolle bei der steuerlichen Bewertung von Unternehmen im Rahmen von Erbschaft und Schenkung. Es bietet eine schnelle, standardisierte Lösung, birgt jedoch auch Risiken, wenn die tatsächliche Un­ter­neh­mens­la­ge davon abweicht. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie das Verfahren funktioniert, wann es sinnvoll ist und warum sich in vielen Fällen ein individuelles Gutachten durch einen Sach­ver­stän­di­gen lohnt.

Das Gebäude eines Unternehmens, dessen steuerliche Bewertung durch das vereinfachte Ertragswertverfahren ermittelt wurde.
Büroimmobilien lassen sich für steuerliche Zwecke nach dem vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren bewerten.
Das Wichtigste in Kürze zum vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren
  • Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren dient der steuerlichen Bewertung von Unternehmen bei Erbschaft und Schenkung.
  • Die Berechnung erfolgt auf Basis des durch­schnitt­li­chen Jahresertrags der letzten drei Jahre, multipliziert mit dem festen Faktor 13,75.
  • Die rechtliche Grundlage bildet das Be­wer­tungs­ge­setz, insbesondere die Paragrafen 199 bis 203.
  • Individuelle Risiken, Markt­ver­än­de­run­gen oder Zu­kunfts­aus­sich­ten bleiben un­be­rück­sich­tigt. Das kann zu Über- oder Un­ter­be­wer­tun­gen führen.
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André Heid
Zertifizierte Im­mo­bi­li­en­gut­ach­ter nach DIN 17024 von TÜV, DEKRA, IHK, DIA und EIPOS bewerten Ihre Immobilie sachgemäß.

Was ist das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren?

Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren ist ein gesetzlich vor­ge­schrie­be­nes Verfahren zur Bewertung von Unternehmen, das insbesondere bei der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer Anwendung findet. Es wurde eingeführt, um Be­wer­tungs­ver­fah­ren zu standardisieren und eine gleichmäßige steuerliche Behandlung sicherzustellen.

Die gesetzliche Grundlage bildet das Be­wer­tungs­ge­setz (BewG), konkret die §§ 199 bis 203 BewG. Dort ist geregelt, wie der Un­ter­neh­mens­wert für steuerliche Zwecke zu ermitteln ist, insbesondere dann, wenn kein Verkehrswert durch Verkauf oder externes Gutachten nachgewiesen wird.

Im Gegensatz zum voll­um­fäng­li­chen Er­trags­wert­ver­fah­ren nach IDW S1, das in der Un­ter­neh­mens­be­wer­tung für Kauf, Verkauf oder gerichtliche Aus­ein­an­der­set­zun­gen eingesetzt wird, verzichtet das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren auf Prognosen zur zukünftigen Entwicklung. Stattdessen werden die durch­schnitt­li­chen Ergebnisse der letzten drei Geschäftsjahre herangezogen und mit einem pauschalen Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor von 13,75 multipliziert.

Das Ziel: Eine vereinfachte, schnell durchführbare Bewertung, die Finanzämtern und Steu­er­pflich­ti­gen eine nach­voll­zieh­ba­re Rechenbasis bietet, auch ohne tiefgehende Un­ter­neh­mens­ana­ly­se oder Markt­be­trach­tung.

So funktioniert die Berechnung im Detail

Die Berechnung nach dem vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren erfolgt schematisch in vier Schritten.

1. Ermittlung des Jahresertrags aus den letzten drei Geschäftsjahren

Als Basis dient der durch­schnitt­li­che steuerliche Jah­res­über­schuss vor Ertragsteuern aus den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren. Zu diesem Ergebnis zählen beispielsweise:

  • Gewinn oder Verlust laut Steuerbilanz
  • Zuschläge für kalkulatorische Kosten
  • Neutralisierte Einmaleffekte

Maßgeblich ist das Un­ter­neh­mens­er­geb­nis vor Steuern, nicht der han­dels­recht­li­che Gewinn.

2. Hinzurechnungen: Diese Positionen erhöhen den Ertrag

Bestimmte betriebliche Vorgänge müssen dem Gewinn hinzugerechnet werden, wenn sie steuerlich nicht voll wirksam sind oder nicht dem typischen Ge­schäfts­be­trieb zuzuordnen sind:

  • Nicht abziehbare Be­triebs­aus­ga­ben (z. B. Be­wir­tungs­kos­ten, Spenden)
  • Kal­ku­la­to­ri­scher Unternehmerlohn bei Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten und Ein­zel­un­ter­neh­men
  • Angemessene Miete oder Pacht bei betrieblich genutztem, aber externem Vermögen (z. B. bei fremd­ver­mie­te­ten Immobilien)
  • Zinsfreies Fremdkapital, das den Gewinn verzerrt

3. Kürzungen: Diese Werte sind abzuziehen

Ebenso müssen bestimmte Positionen gekürzt werden, um den betrieblichen Ertrag korrekt zu erfassen:

  • Erträge aus nicht be­triebs­not­wen­di­gem Vermögen, wie z. B.:
    • Überschüssige Finanzanlagen
    • Vermietete Immobilien, die nicht zum operativen Geschäft gehören
  • Verluste aus au­ßer­or­dent­li­chen Ge­schäfts­vor­fäl­len
  • Privatanteile bei gemischt genutzten Wirt­schafts­gü­tern

Diese Kürzungen sorgen dafür, dass nur der nachhaltige betriebliche Ertrag bewertet wird.

4. Anwendung des Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tors: 13,75

Der so bereinigte Jahresertrag wird mit einem gesetzlich festgelegten Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor multipliziert:

13,75 gemäß § 203 Abs. 1 Satz 2 BewG

Dieser Faktor basiert auf einem angenommenen Basiszinssatz sowie einem typisierten Risikozuschlag. Er unterstellt vereinfacht eine langfristige, gleichbleibende Ertragslage.

Beispiel: Un­ter­neh­mens­be­wer­tung mit dem vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren

Ein mit­tel­stän­di­sches Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men soll im Rahmen einer Schenkung steuerlich bewertet werden. Die letzten drei Geschäftsjahre haben folgende Jah­res­über­schüs­se (vor Steuern) erzielt:

  • 2022: 110.000 Euro
  • 2023: 90.000 Euro
  • 2024: 100.000 Euro
Be­rech­nungs­schritt Rechnung Wert in €
Durch­schnitt­li­cher Jah­res­über­schuss   (110.000 + 90.000 + 100.000) ÷ 3 100.000
+ Hinzurechnungen z. B. kalk. Miete (18.000 €), nicht abz. Kosten (2.000 €) + 20.000
– Kürzungen z. B. Erträge aus nicht be­triebs­not­wen­di­gem Kapitalvermögen (10.000 €) – 10.000
= Bereinigter Jahresertrag 100.000 + 20.000 – 10.000 110.000
× Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor (13,75) 110.000 × 13,75 1.512.500

Der steuerliche Un­ter­neh­mens­wert beträgt 1.512.500 Euro.

Dieser Wert dient dem Finanzamt als Be­mes­sungs­grund­la­ge für die Ermittlung beispielsweise der Schenkungsteuer, es sei denn, der Steu­er­pflich­ti­ge legt ein Gutachten vor, das einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist (z. B. durch das IDW S1-Verfahren oder ein Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten nach § 194 Baugesetzbuch).

Typische Anwendungsfälle des vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­rens

Das vereinfachte Verfahren ist vor allem dann geeignet, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Ermittlung des Un­ter­neh­mens­werts für das Finanzamt, z. B. bei Schenkung oder Erbschaft
  • Betriebe mit konstanter Ertragslage in den letzten drei Jahren
  • Kleinere und mittlere Unternehmen, bei denen die Bewertung möglichst unkompliziert erfolgen soll
  • Un­ter­neh­mens­nach­fol­gen im Familienkreis ohne externen Käufer

Gerade in Er­ben­ge­mein­schaf­ten oder bei internen Übertragungen kann das Verfahren zeit- und kostensparend sein, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.

In bestimmten Fällen darf oder sollte das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren jedoch nicht angewendet werden:

  1. Hoher Anteil nicht be­triebs­not­wen­di­ger Tätigkeiten
    Wenn mehr als 30 Prozent des Un­ter­neh­mens­werts auf nicht be­triebs­not­wen­di­ges Vermögen entfällt (z. B. vermietete Immobilien, Finanzanlagen), ist das Verfahren unzulässig (§ 200 Abs. 3 BewG).
  2. Volatile oder atypische Gewinne
    Bei stark schwankenden Gewinnen oder einem Unternehmen in der Sanierungsphase führt das Verfahren zu verzerrten Ergebnissen.
  3. Stille Reserven oder Sondervermögen
    Bei Betrieben mit hohem Sondervermögen, das nicht betrieblich genutzt wird, kommt es zu Überbewertungen.
  4. Start-ups oder Wachs­tums­un­ter­neh­men
    Dafür ist das ver­gan­gen­heits­ori­en­tier­te Verfahren völlig ungeeignet, da zukünftige Gewinne nicht berücksichtigt werden.

Vergleich: Vereinfachtes Er­trags­wert­ver­fah­ren und IDW S1

Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren und das Er­trags­wert­ver­fah­ren nach dem IDW S1-Standard verfolgen zwar das gleiche Ziel, nämlich die Bewertung eines Unternehmens auf Basis seiner Ertragskraft. Sie unterscheiden sich jedoch grundlegend in Methodik, Aussagekraft und An­wen­dungs­be­reich.

Während das vereinfachte Verfahren vor allem für steuerliche Zwecke gedacht ist, wird das IDW S1-Verfahren in der freien Wirtschaft, bei Ver­kaufs­pro­zes­sen oder gerichtlichen Aus­ein­an­der­set­zun­gen angewendet.

Wesentliche Unterschiede im Überblick

Kriterium Vereinfachtes Er­trags­wert­ver­fah­ren IDW S1 Er­trags­wert­ver­fah­ren
Zielsetzung Standardisierte Bewertung für Steuerzwecke Realistische Marktwert-Ermittlung für wirtschaftliche Entscheidungen
Rechtsgrundlage Be­wer­tungs­ge­setz (§§ 199–203 BewG) IDW S1 Standard des Instituts der Wirt­schafts­prü­fer
Datenbasis Ver­gan­gen­heits­wer­te (letzte 3 Jahre) Pla­nungs­rech­nun­gen für Zukunftserträge (5+ Jahre)
Anpassungen Pauschal, gesetzlich festgelegt Individuell, basierend auf Un­ter­neh­mens­pla­nung und Risikoanalyse
Ka­pi­ta­li­sie­rungs­zins Einheitlich: Faktor 13,75 Abgeleitet aus Basiszins + individuell berechnetem Risikozuschlag
Flexibilität / In­di­vi­dua­li­sie­rung Keine – stark standardisiert Hoch – be­triebs­wirt­schaft­lich fundiert
Eignung für Finanzamt Ja (Primärzweck) Ja, wenn durch Gutachten begründet
Eignung für Verkauf / Kauf­preis­ver­hand­lun­gen Eingeschränkt bis ungeeignet Ja, marktüblich
Kostenaufwand Gering Höher, wegen Analyseaufwand und Pro­gno­se­mo­del­lie­rung

Steuerlich pragmatisch – strategisch zu kurz gedacht?

Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren vereinfacht den Be­wer­tungs­pro­zess, birgt jedoch die Gefahr falscher Werte. Das Verfahren basiert auf festen Pauschalen, insbesondere dem Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor von 13,75, die unabhängig von Branche, Un­ter­neh­mens­ri­si­ko oder Marktumfeld gelten. Auch die Betrachtung vergangener Jahre (stets drei Geschäftsjahre) lässt keinen Spielraum für Son­der­ent­wick­lun­gen, Trends oder Krisen. Die pauschalen Be­wer­tungs­an­sät­ze können in der Praxis zu deutlichen Abweichungen vom tatsächlichen Marktwert führen.

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Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren ist ein pragmatisches Instrument, aber kein präzises. Für eine steuerlich optimale Bewertung sollte stets geprüft werden, ob ein Gutachten nach Verkehrswert nicht die bessere Lösung ist.

Ing. André Heid M.Sc.

Wann empfiehlt sich ein Gutachten durch einen Sach­ver­stän­di­gen?

In vielen Fällen ist das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren nicht die optimale Lösung, obwohl es auf den ersten Blick einfach erscheint. Besonders dann, wenn der tatsächliche Un­ter­neh­mens­wert deutlich vom pauschalen Steuerwert abweicht, kann ein Gutachten durch einen qualifizierten Sach­ver­stän­di­gen steuerliche Vorteile bringen und Konflikte vermeiden.

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André Heid
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Häufige Fragen zum vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren

In diesem Abschnitt beantworten wir oft gestellte Fragen zum vereinfachten Er­trags­wert­ver­fah­ren.

Wie wird der Jahresertrag berechnet?

Die Berechnung erfolgt auf Basis des durch­schnitt­li­chen Jah­res­über­schus­ses der letzten drei Geschäftsjahre (vor Ertragsteuern). Dieser Wert wird um be­triebs­be­ding­te Hinzurechnungen (z. B. kalkulatorische Mieten, nicht abziehbare Be­triebs­aus­ga­ben) sowie Kürzungen (z. B. Erträge aus nicht be­triebs­not­wen­di­gem Vermögen) angepasst. Das Ergebnis ist der sogenannte bereinigte Jahresertrag.

Was ist der Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor und warum liegt er bei 13,75?

Der Ka­pi­ta­li­sie­rungs­fak­tor 13,75 ist gesetzlich festgelegt (§ 203 Be­wer­tungs­ge­setz) und dient der Umrechnung des bereinigten Jahresertrags in einen Un­ter­neh­mens­wert. Er basiert auf einem pauschalierten Zinssatz und Risikozuschlag, unabhängig von Branche, Un­ter­neh­mens­grö­ße oder wirt­schaft­li­chem Umfeld. Die Stan­dar­di­sie­rung soll den Ver­wal­tungs­auf­wand für Finanzämter und Steu­er­pflich­ti­ge minimieren.

Wann ist das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren nicht zulässig?

Das vereinfachte Er­trags­wert­ver­fah­ren darf nicht angewendet werden, wenn dessen Ergebnis offensichtlich unzutreffend wäre. Das ist insbesondere bei Unternehmen der Fall, deren Gewinne stark schwanken, die von Einmaleffekten geprägt sind oder bei denen keine stabile Ertragslage vorliegt, beispielsweise bei Neugründungen oder komplexen Un­ter­neh­mens­struk­tu­ren. Auch ein hoher Anteil von nicht be­triebs­not­wen­di­gem Vermögen kann dazu führen, dass das Verfahren ungeeignete Ergebnisse liefert. In solchen Fällen kann das Finanzamt die Anwendung ablehnen und den Nachweis eines anderen (z. B. niedrigeren) Un­ter­neh­mens­werts verlangen. Das Verfahren ist zudem ausgeschlossen, wenn es branchentypisch nicht üblich ist oder konkrete Vergleichswerte wie zeitnahe Verkäufe vorliegen.

Welche Verfahren stehen als Alternative zur Verfügung?

Als anerkannte Alternativen gelten das Er­trags­wert­ver­fah­ren nach dem IDW S1-Standard, ein Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten nach § 194 Baugesetzbuch sowie das Sub­stanz­wert­ver­fah­ren. Diese Methoden sind individueller und marktgerechter, erfordern jedoch eine detaillierte Analyse und sind mit höherem Aufwand verbunden. Sie kommen insbesondere bei Verkaufsfällen, gerichtlichen Aus­ein­an­der­set­zun­gen oder komplexeren Un­ter­neh­mens­struk­tu­ren zum Einsatz.

Wie kann ich dem Finanzamt einen abweichenden Un­ter­neh­mens­wert nachweisen?

Ein abweichender, insbesondere niedrigerer Un­ter­neh­mens­wert kann durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sach­ver­stän­di­gen nachgewiesen werden. Das Be­wer­tungs­ge­setz sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor (§ 198 Abs. 1 Satz 2 BewG). Das Gutachten muss nachvollziehbar und methodisch korrekt erstellt sein, um steuerlich anerkannt zu werden.