Was sind die Unterschiede zwischen einem Vermächtnis und einem Vorausvermächtnis? Wie kommen Begünstigte an die Immobilie aus ihrem Vermächtnis? Und was passiert, wenn die Erben die Herausgabe des Vermächtnisgegenstands verweigern? Diese und viele weitere Fragen rund um das Vermächtnis für Immobilien beantworten wir Ihnen in diesem Artikel.
- Mit einem Vermächtnis kann der Erblasser einen Dritten mit einem einzelnen Gegenstand, einer Immobilie, einem Geldbetrag oder einem Recht begünstigen. Dies ist ein besonderes Zeichen der Wertschätzung.
- Bei einem Vorausvermächtnis überträgt der Erblasser des Vermächtnisgegenstand nicht auf Dritte, sondern auf einen einzelnen Erben.
- Der Vermächtnisnehmer erhält nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf den vermachten Gegenstand. Beispielsweise wird er nicht automatisch Eigentümer einer vermachten Immobilie.
- Er muss sein Vermächtnis aktiv bei den Erben einfordern. Diese sind verpflichtet, den Vermächtnisgegenstand herauszugeben.
- Bei einem Immobilien-Vermächtnis muss vom Notar ein Vermächtniserfüllungsvertrag aufgesetzt werden. Anschließend erfolgt die Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch.
- Die entstehenden Notar- und Grundbuchkosten tragen üblicherweise die Erben, sofern nicht anders im Testament angeordnet.
- Für Grundstücks- und Immobilienvermächtnisse gilt eine Verjährungsfrist von 10 Jahren, in denen der Anspruch geltend gemacht werden muss.
Abgrenzung: Vermächtnis, Verschaffungsvermächtnis, Vorausvermächtnis für Immobilien
Grenzen wir zunächst einige Grundbegriffe ab, die im Zusammenhang mit Immobilien- und Grundstücksvermächtnissen stehen.
Was ist ein Vermächtnis?
Ein Vermächtnis nach § 1939 BGB erlaubt es dem Erblasser, einer bestimmten Person einzelne Nachlassgegenstände zuzuwenden, unabhängig von der Erbfolge. Das heißt: Er kann auch außerhalb des Erbenkreises konkrete Gegenstände übertragen, zum Beispiel aufgrund ihres emotionalen Werts: ein Ferienhaus an den Freund, einen Geldbetrag an die Pflegekraft, ein Schmuckstück an die entfernte Nichte. Das Vermächtnis entsteht immer aus dem freien Willen des Erblassers und ist ein besonderes Zeichen der Wertschätzung.
Mit dem Vermächtnis erhält der Begünstigte (Vermächtnisnehmer) einen schuldrechtlichen Anspruch auf den vermachten Gegenstand. Dieser tritt mit dem Tod des Erblassers in Kraft und gilt gegenüber den Erben oder der Erbengemeinschaft.
Wichtig beim Vermächtnis für Häuser und Grundstücke: Der Vermächtnisnehmer wird mit dem Erbfall nicht automatisch Eigentümer der Immobilie. Er muss, wie bei anderen Nachlassgegenständen auch, sein Vermächtnis aktiv bei den Erben einfordern. Diese wiederum sind dazu verpflichtet, den Gegenstand herauszugeben beziehungsweise in unserem Fall die vermachte Immobilie zu überschreiben.
Ein Vermächtnis für eine Immobilie ist klar abzugrenzen von einer Erbschaft. Die wichtigsten Unterschiede zeigt die folgende Tabelle:
| Merkmal | Erbschaft | Vermächtnis |
| Anteil am Nachlass | Gesamtes Vermögen bzw. Teilanspruch darauf (inkl. Rechte, Pflichten und Schulden) | Anspruch auf einzelnen Gegenstand, Geldbetrag oder Recht |
| Inanspruchnahme | Automatisch mit Eintreten des Erbfalls | Vermächtnisgegenstand muss aktiv eingefordert werden |
| Nachlassverwaltung | Ja | Nein |
| Rechtsnachfolge | Ja | Nein |
| Schuldenübernahme | Ja | Nein (Ausnahme: Immobilien-Vermächtnis) |
| Erbschaftssteuer | Ja | Ja |
Was ist ein Vorausvermächtnis?
Ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB ist eine besondere Form des Vermächtnisses. Es richtet sich – anders als ein gewöhnliches Vermächtnis – nicht an Dritte außerhalb der Erbfolge, sondern ausschließlich an einen Erben. Das Ziel: Der Erblasser möchte einem bestimmten Erben zusätzlich zum regulären Erbteil einen weiteren Vermögensvorteil zukommen lassen. Dieser Vorteil wird nicht auf den Erbanteil angerechnet und stellt somit eine bevorzugte Behandlung dar.
Ein Vorausvermächtnis kann also eingesetzt werden, um innerhalb der Erbengemeinschaft eine Person besonders zu begünstigen, etwa das Kind, das die Eltern besonders unterstützt hat. Wichtig ist: Es kann nur ein einzelner Erbe für das Vorausvermächtnis ausgewählt werden.
Ein Vorausvermächtnis und eine Teilungsanordnung sind nicht dasselbe. Das Vorausvermächtnis gewährt einem Erben etwas zusätzlich, beispielsweise ein Haus. Die Teilungsanordnung dagegen regelt die Verteilung des Nachlasses unter allen Miterben. Dabei muss ein fairer Ausgleich erreicht werden.
Was ist ein Verschaffungsvermächtnis?
Ein Verschaffungsvermächtnis nach § 2170 BGB liegt vor, wenn der Gegenstand oder das Recht, das vermacht werden soll, zur Zeit des Erbfalls nicht Teil des Nachlasses ist. In der Praxis betrifft ein Verschaffungsvermächtnis häufig ein Grundstück, das dem Erblasser zum Zeitpunkt des Ablebens nicht gehört, etwa, weil es noch im Erwerb war.
Mit dem Verschaffungsvermächtnis verpflichtet der Erblasser die Erben, dem Vermächtnisnehmer einen bestimmten Gegenstand zu beschaffen oder zu übertragen, auch wenn dieser gar nicht im Nachlass enthalten ist. Ist die Beschaffung nicht möglich, muss der Wert des Gegenstands ersetzt werden.
Außerdem gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Ist die Erfüllung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, können die Erben die Beschaffung umgehen, indem sie dafür den Wert des Gegenstands entrichten.
Haus über Vermächtnis übertragen: Das müssen Erblasser beachten
Als Erblasser stehen Sie vor einer schwierigen Entscheidung: Wie genau soll Ihr Vermögen verteilt werden? Gibt es eine Immobilie, die Sie in den Händen einer ganz bestimmten Person wissen wollen? Wir erklären, wann ein Vermächtnis oder Vorausvermächtnis für Ihr Haus sinnvoll ist und zeigen auf, was Sie beim Verfassen des Testaments beachten müssen.
In welchen Fällen ist ein Immobilien-Vermächtnis sinnvoll?
Ein Vermächtnis eignet sich besonders dann, wenn der Erblasser ganz bewusst eine einzelne Person mit einer Immobilie begünstigen möchte, ohne sie zu einem Erben zu machen. Denn dann müsste sie sich mit der gesamten Nachlassverwaltung und -teilung auseinandersetzen. Häufig sind es Personen außerhalb des Erbenkreises, die mittels eines Vermächtnis‘ eine Immobilie erhalten sollen.
Beispiel: Der Erblasser ist viele Jahre lang mit seinem engen Freund in sein Ferienhaus zum Angeln gefahren. Das Haus an der Ostsee möchte er ihm nun vermachen, da die beiden viele gemeinsame Erinnerungen daran teilen. Er benennt seinen Freund als Vermächtnisnehmer. Nach seinem Ableben übertragen die Erben seinem Freund das Ferienhaus.
Ein Vorausvermächtnis bietet sich an, wenn Sie einen Erben in besonderer Weise hervorheben wollen, etwa durch die Übertragung eines Hauses zusätzlich zum regulären Erbteil.
Beispiel: Der Erblasser vererbt sein Vermögen insgesamt an drei Kinder. Nachdem er vor einigen Jahren nach einem Unfall pflegebedürftig geworden ist, hat sich eins seiner Kinder intensiv um ihn gekümmert. Nun möchte er sich mit einem Vorausvermächtnis bedanken. Er vermacht seinem Kind das Ferienhaus der Familie, an dem es schon mehrfach Interesse geäußert hat. Dadurch vermeidet der Erblasser Streit um ein geerbtes Haus.
Ein Vermächtnis gibt Ihnen die Möglichkeit, gezielt Dankbarkeit auszudrücken. Besonders bei Immobilien ist das eine sinnvolle Lösung, um Klarheit zu schaffen und Streit zu vermeiden.
Ing. André Heid M.Sc.
Was kann ich vermachen?
Mit einem Vermächtnis oder Vorausvermächtnis können Sie nicht nur Immobilien, sondern sämtliche Gegenstände aus dem Nachlass übertragen, ganz unabhängig von deren Wert. Entscheidend ist nur, was der Erblasser festlegen möchte.
Typische Vermächtnisgegenstände sind:
- persönliche Dinge wie ein Schmuckstück, ein Auto oder ein Bild
- Sammlungen
- Möbel
- Immobilien oder Grundstücke
- Forderungen und Rechte, etwa Wohnrechte oder Nießbrauch
- Geldbeträge oder Aktienpakete
Wo halte ich das Vermächtnis für meine Immobilie fest?
Ein Vermächtnis wird immer schriftlich im Testament oder Erbvertrag festhalten. Die begünstigte Person sollte namentlich genannt werden, idealerweise mit aktueller Anschrift, um spätere Verwechslungen oder aufwändige Recherchen zu vermeiden.
Bereits beim Verfassen des Testaments sollte der Erblasser mögliche Konflikte nach dem Erbfall mitdenken. Empfehlenswert ist es etwa, einen Ersatzvermächtnisnehmer zu benennen. Schlägt der Begünstigte das Vermächtnis beispielsweise aus, gibt es eine klare Vorgabe und es kommt erst gar nicht zu Streitigkeiten.
Besonders wichtig beim Vermächtnis für Immobilien: Ist das Haus oder Grundstück mit einer Hypothek oder Grundschuld belastet, sollte im Testament genau festgeschrieben sein, ob der Vermächtnisnehmer diese Schulden übernehmen soll. Alternativ können Sie auch ausdrücklich bestimmen, dass die Immobilie unbelastet übergehen soll. Wird dazu nichts geregelt, muss der Vermächtnisnehmer die bestehenden Belastungen übernehmen.
Nach dem Erbfall: Das Immobilien-Vermächtnis einfordern
Ist der Erbfall eingetreten, stehen einige rechtliche Schritte an, um das Immobilien-Vermächtnis zu erfüllen. Dabei sind sowohl die Erben als auch der Vermächtnisnehmer gefragt.
Wie kann ich die Immobilie aus meinem Vermächtnis einfordern?
Anders als bei einer Erbschaft erfolgt die Übertragung der Immobilie bei einem Vermächtnis nicht automatisch. Als Begünstigter müssen Sie Ihr Vermächtnis aktiv bei den Erben einfordern. Wie läuft das ab?
- Zunächst wird das Testament beim Nachlassgericht eröffnet.
- Das Gericht setzt alle betroffenen Personen, auch den Vermächtnisnehmer, über die Nachlassregelungen in Kenntnis. Voraussetzung: Das Testament wurde korrekt beim Gericht eingereicht.
- Nun liegt der nächste Schritt gemäß § 2174 BGB beim Vermächtnisnehmer. Er muss sich selbstständig an die Erben oder die Erbengemeinschaft wenden, um die Herausgabe oder Übertragung der Immobilie zu fordern. Am besten geschieht dies schriftlich.
Tipp: Die Adressen der Erben können Sie bei Bedarf über die Nachlassakte einsehen.
Der Vermächtnisnehmer darf sich die Immobilie nicht einfach eigenmächtig aneignen. Für die Erfüllung des Vermächtnisses ist die Mitwirkung der Erben zwingend notwendig. Rechtlich sind die Erben dazu verpflichtet, den Vermächtnisgegenstand herauszugeben.
Sind mit dem Vermächtnis der Immobilie auch Änderungen im Grundbuch verbunden?
Ja, das Vermächtnis oder Vorausvermächtnis für eine Immobilie geht mit Änderungen im Grundbuch einher. Nachdem der Begünstigte das Vermächtnis bei den Erben eingefordert hat, folgen diese Schritte:
- Beim Notar wird der sogenannte Vermächtniserfüllungsvertrags beurkundet. Dabei erklären die Erben, dass die Immobilie an den Vermächtnisnehmer übertragen werden soll.
- Anschließend erfolgt die Eintragung des Eigentümerwechsels im Grundbuch.
- Für beide Schritte entstehen Kosten.
Hinweis: Bei kleineren Gegenständen ist ein Vermächtniserfüllungsvertrag, anders als bei Immobilien, oft nicht nötig.
Wer trägt die Kosten für die Vermächtniserfüllung?
Bei der Erfüllung eines Immobilien-Vermächtnisses entstehen Kosten für den Notar und Gebühren beim Grundbuchamt. Üblicherweise tragen die Erben diese Kosten, sofern im Testament keine andere Regelung getroffen wurde. Der Erblasser kann aber auch ausdrücklich anordnen, dass der Vermächtnisnehmer die anfallenden Kosten selbst übernehmen soll. Liegt keine Anordnung vor, so kommen die Erben für die Kosten auf.
Was passiert, wenn die Erben die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern?
Ein Vermächtnis ist nach dem Tod des Erblassers bindend. Das bedeutet: Die Erben können es nicht mehr rückgängig machen oder verändern. Sind die formalen Voraussetzungen erfüllt, müssen die Erben den vermachten Gegenstand herausgeben. Verweigern sie die Erfüllung (etwa die Übertragung der Immobilie), bleibt dem Vermächtnisnehmer nur der Gang vor Gericht. Dort kann er den Anspruch auf Erfüllung einklagen. Ein solches Verfahren ist jedoch häufig zeitaufwändig und belastend.
Oft kann es sinnvoll sein, bei Erbschaftsangelegenheiten aller Art den genauen Wert der Immobilie zu kennen – sei es für die präzise Ermittlung der Erbschaftssteuer oder um Streitigkeiten zwischen den beteiligten Personen zu vermeiden. Unsere vereidigten und zertifizierten Immobiliengutachter kennen sich bestens mit den Anforderungen einer erbbedingten Wertermittlung aus. Nehmen Sie jetzt Kontakt zu uns auf und lassen Sie sich in einem kostenlosen Erstgespräch unverbindlich beraten.
Häufige Fragen zum Vermächtnis für Immobilien
Weitere wichtige Fragen zum Vermächtnis sowie Vorausvermächtnis für ein Haus haben wir für Sie zusammengefasst.
Warum ist ein Testamentsvollstrecker sinnvoll?
Ein Testamentsvollstrecker sorgt dafür, dass der letzte Wille des Erblassers ordnungsgemäß umgesetzt wird, auch im Hinblick auf ein Vermächtnis. Er übernimmt die Abwicklung des Nachlasses und stellt sicher, dass begünstigte Personen ihre Ansprüche erhalten, ohne auf das Wohlwollen der Erben angewiesen zu sein.
Gerade bei Immobilienvermächtnissen beugt ein Testamentsvollstrecker Streitigkeiten innerhalb der Familie oder gar gerichtlichen Auseinandersetzungen vor. Er agiert unabhängig und neutral, im Sinne des Testaments.
Damit der Testamentsvollstrecker tätig werden kann, muss er vom Erblasser ausdrücklich im Testament oder im Erbvertrag eingesetzt werden. Fehlt eine solche Anordnung, bleibt diese Möglichkeit ungenutzt..
Muss ich als Vermächtnisnehmer Erbschaftssteuer zahlen?
Ja, auch für ein Vermächtnis fällt Erbschaftssteuer an. Der Vermächtnisnehmer muss die Steuerlast selbst tragen, unabhängig davon, ob er Erbe ist oder nicht.
Handelt es sich um ein Vorausvermächtnis, wird dieses als Teil der Erbschaft behandelt. In diesem Fall zahlt der Erbe für den gesamten Erbteil inklusive des Vorausvermächtnisses Erbschaftssteuer.
Die Höhe der Steuer hängt vom Verwandtschaftsgrad zum Erblasser und dem Wert des Vermächtnisses ab. Enge Familienangehörige profitieren von höheren Freibeträgen. Für nicht verwandte Personen liegt der Freibetrag bei 20.000 Euro. Alles darüber hinaus ist steuerpflichtig.
Gibt es eine Verjährungsfrist, um das Immobilien-Vermächtnis einzufordern?
Ja, der Vermächtnisanspruch unterliegt bestimmten Verjährungsfristen. Hält der Vermächtnisnehmer diese Fristen nicht ein, können die Erben die Vermächtniserfüllung ablehnen.
- Die reguläre Verjährungsfrist für Vermächtnisse beträgt 3 Jahre.
- Bei Grundstücks- oder Immobilienvermächtnissen gilt eine verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren.
- Ist dem Vermächtnisnehmer das Vermächtnis nicht bekannt, beträgt die Verjährungsfrist maximal 30 Jahre.
- Ist das Vermächtnis an eine Bedingung geknüpft, verfällt der Anspruch, wenn diese Bedingung nicht innerhalb von 30 Jahren eintritt.
- Für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gibt es keine gesetzliche Frist.
Können Erben anstatt des Vorausvermächtnisses ihren Pflichtteil verlangen?
Ja, auch wenn ein Vorausvermächtnis für ein Haus oder einen anderen Gegenstand besteht, bleibt der Anspruch auf den Pflichtteil erhalten. Das bedeutet: Pflichtteilsberechtigte Erben können trotz Vermächtnis ihren Pflichtteil geltend machen.
Allerdings gilt: Nimmt der Erbe das Vermächtnis an, wird der Wert des vermachten Gegenstands in der Regel auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet. Damit reduziert sich der verbleibende Pflichtteilsbetrag. Wer seinen vollständigen Pflichtteil erhalten möchte, kann das Vermächtnis ausschlagen. In diesem Fall erfolgt keine Anrechnung, der Pflichtteil wird in voller Höhe ausgezahlt.